28.12.2015

Tarifkonflikt beim UKSH: Grundsätzlich tarifpolitische Bedeutung

Bild: kontrastwerkstatt/fotolia

Das waren wieder einmal Vorgänge, die ohne Hintergrundwissen kaum nachzuvollziehen waren: Für die Beschäftigten beim Schleswig-Holsteinischen Universitätsklinikum (UKSH) liefen Tarifverhandlungen über die weitere Entgeltentwicklung. Die Kollegen von verdi forderten öffentlichkeitswirksam die Übernahme des TVöD-Ergebnisses für Bund und Kommunen, ein entsprechender Streik bahnte sich an. Daraufhin hat das Land das UKSH in seinen wieder neu gegründeten Arbeitgeberverband geholt mit der Folge, dass dort automatisch wieder der Tarifvertrag für die Länder (TV-L) angewendet wird. Es gab wütende Reaktionen von verdi, während komba und dbb den Schritt begrüßen. Was ist da los und wie hängt das zusammen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum gab es gesonderte Tarifverhandlungen für das UKSH?

Für das UKSH galt ein Sanierungstarifvertrag. Es handelte sich quasi um einen Haustarifvertrag, der auf dem TV-L basierte. Er sah aufgrund der finanziellen Schieflage aber gewisse Einbußen für die Beschäftigten vor. Das bedeutete auch, dass die Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes sich nicht automatisch auf das UKSH auswirkten. Für Einkommensanpassungen des UKSH sowie bestimmte Detailfragen mussten gesonderte Tarifverhandlungen geführt werden.

Wie kam es überhaupt zu dem Sanierungstarifvertrag?

Das UKSH wurde aus dem Flächentarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder herausgelöst. Dafür wurden seinerzeit die Weichen durch die Auflösung des Arbeitgeberverbandes des Landes Schleswig-Holstein gestellt. In dem zur Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) gehörenden Arbeitgeberverband waren das Land selber und alle Landeseinrichtungen wie auch das UKSH vereint, so dass für alle dort Beschäftigten das Tarifrecht der Länder Anwendung fand. Nach der Auflösung des Arbeitgeberverbandes war nur noch das Land TdL-Mitglied, während für die Landeseinrichtungen eine unsichere Situation entstanden ist. In deren Folge kam für das UKSH auch nicht der Tarifvertrag für die Länder (TV-L) zur Anwendung, es galt zunächst der BAT weiter. Im Hinblick auf die finanzielle Schieflage des UKSH und mit dem Ziel einer tarifpolitischen Perspektive wurde mit den Gewerkschatten (mit verdi und mit komba/dbb) ein Sanierungstarifvertrag abgeschlossen.

Warum haben komba und dbb die Forderung nach einer Übernahme des TVöD-Abschlusses nicht unterstützt?

Das UKSH ist eine Einrichtung des Landes, deshalb muss dort der Tarifvertrag für die Länder der Maßstab sein. Der TVöD gilt nur für die Beschäftigten von Bund und Kommunen. Es wäre sachwidrig, den TVöD beim UKSH anzuwenden. Wir haben immer gefordert, dass für die Beschäftigten so schnell wie möglich wieder der lupenreine TV-L gilt, ohne Abschläge durch einen Sanierungstarifvertrag. Und genau das wurde jetzt erreicht.

Aber ist nicht der TVöD der bessere Tarifvertrag?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt einige Regelungen, die im TVöD besser sind, aber auch einige Regelungen, die im TV-L besser sind. Und was die Einkommensentwicklung angeht, sind Nachteile beim TV-L gegenüber dem TVöD aufgrund wechselseitiger Abschlüsse von begrenzter Dauer und können genauso gut zu Vorteilen werden.

Auch wir finden es nicht gut, dass die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in den TVöD und den TV-L aufgesplittet sind. Aber das Problem kann nicht am Tariftisch einer einzelnen Klinik, sondern nur auf Bundesebene gelöst werden.

Warum dann nicht einen Haustarifvertrag mit der jeweils besten Lösung?

Das Hin und Her zwischen Sanierungstarifvertrag, TV-L und TVöD konnte keine dauerhafte Lösung sein. Das bedeutet auch für die Beschäftigten eher Verunsicherung statt eine klare Linie. Außerdem müsste dann doch auch für die übrige Landesverwaltung gefordert werden, den TVöD anzuwenden zumindest für die Phasen, in denen mehr dabei herauskommt. Und im Umkehrschluss müsste auch von den einzelnen Kommunen gefordert werden, den TV-L anzuwenden soweit dieser besser ist, was jeweils den Austritt aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband bedeuten würde. Das alles würde eine Schwächung des Flächentarifvertrages, einen tarifpolitischen Häuserkampf, ja eine tarifpolitische Geisterfahrt bedeuten.

Dabei muss man auch sehen, dass sich ein Arbeitgeber nicht an einen Tarifvertrag binden lassen würde, auf den er keinen Einfluss hat. Das Land und das UKSH ist nicht Tarifpartner des TVöD und die Kommunen sind nicht Tarifpartner des TV-L. Es ist unrealistisch zu fordern, dass die Katze im Sack gekauft wird.

Vor allem aber kann nicht ernsthaft erwartet werden, dass für eine finanziell angeschlagene Einrichtung durch einen Haustarifvertrag ein besseres Ergebnis erzielt wird als für den Flächentarifvertrag, wo bundesweit Druck aufgebaut werden kann.
Warum wurde dann von verdi eine solche Forderung aufgestellt?
Möglicherweise, weil eine Stärkung des Flächentarifvertrages mit einer Schwächung von Funktionären vor Ort verbunden sein kann. Aber: Verdi ist genauso wie komba/dbb Tarifpartner des TV-L und sicher wird verdi genau wie komba/dbb hinter diesem Tarifvertrag stehen und sich für eine positive Weiterentwicklung einsetzen.

Ist denn das Vorgehen des Landes ein Angriff auf die Tarifautonomie, wie es teilweise dargestellt wird?

Nein. Eher ist das Gegenteil der Fall, die Tarifautonomie wurde gestärkt. Die Gründung des Arbeitgeberverbandes führt nicht nur zu einer Stärkung des Flächentarifvertrages, sondern ermöglicht auch Beschäftigten der anderen Landeseinrichtungen, wieder in den unmittelbaren Anwendungsbereich des TV-L zu kommen und von den Absicherungen des Tarifvertragsgesetzes zu profitieren. Das ist eine Stärkung der Tarifautonomie. Wir haben die damalige Auflösung des Arbeitgeberverbandes kritisiert und in unseren vom Landesgewerkschaftstag abgesegneten Forderungskatalog die Rücknahme dieser Fehlentscheidung aufgenommen. Diese Forderung wurde jetzt erfüllt und das begrüßen wir im Interesse der Beschäftigten.

Allerdings ist dem Land beziehungsweise dem UKSH anzulasten, dass damit noch nicht ale Probleme gelöst sind, denn die ausgegliederten Gesellschaften sind noch abgehängt. Zudem wurde teilweise ziemlich ungeschickt agiert: Unverständlich bleibt, warum der Arbeitgeber jetzt den Knoten für den TV-L durchschlägt, nachdem er über einen langen Zeitraum entsprechende Gespräche mit uns verweigert hat.

Was haben die Beschäftigten jetzt von der aktuellen Entwicklung?

Mit der Rückkehr zum Flächentarifvertrag durch die Anwendung des TV-L wird dauerhaft die Anwendung eines passenden Tarifvertrages inklusive sachgerechter und regelmäßiger Einkommenssteigerungen abgesichert. Da unser Spitzenverband dbb anerkannte Tarifvertragspartei des TV-L ist, können wir uns jetzt wirksam dafür einsetzen, dass die Beschäftigten profitieren. Deshalb sind die Beschäftigten des UKSH aufgerufen: Sorgen Sie jetzt für eine dauerhafte klare Linie. Sorgen Sie für die positive Entwicklung des TV-L, für den bereits Anfang 2015 neue Verhandlungen anstehen. Sorgen Sie für Ihre Zukunft – am besten durch eine Mitgliedschaft in der komba.

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